Brandenburg, eines der neuen Bundesländer, ist viel stärker von kontinentalen Klima geprägt als die westlichen Landesteile, wo ich wohne. Außerdem ist dieses Bundesland an der polnischen Grenze weniger dicht besiedelt. Ein guter Grund einige Landesteile Vogelparadiese zu nennen. Brutpaare der selten gewordenen Raubwürger (Lanius excubitor) leben hier im Osten in guter Zahl. Die Raubwürger waren der Hauptgrund eine Reise in den Osten Ende Juni zu unternehmen. Denn auch die Raubwürger haben nun ihre Brut weitgehend aufgezogen und kümmern sich nun um die (fast) flüggen Jungen. Eine Störung der Brut ist damit ausgeschlossen. Diese Jungen- und Fütterungsphase sollte deshalb abgelichtet werden.
Früher war ich vor allem im Sommer häufig auf den Truppenübungsplätzen um Köln, insbesondere der Wahner Heide unterwegs. Die Truppenübungsplätze Lieberose und Reicherskreuzer Heide waren mir bis dato unbekannt und sollten nun erstmals intensiv besucht werden. Eigentlich auf der Suche nach den Raubwürgern und auch Ziegenmelkern welche ich hier auch auf Anhieb fand, begeisterte auch die Vielzahl an Schmetterlingen. Neben großen Mengen an Widderchen, Dickkopffaltern und Schachbrettfaltern waren Unmengen an Italienischen Schönschrecken und Kleinen Goldschrecken zu sehen, die man woanders nur selten so beobachten kann.
Die Aussichten beim Wetter waren perfekt und überall gab es zahlreiche Motive. So nutzte ich frühmorgens jede freie Minute, um draußen zu sein. Die Lieberoser Heide zeigte sich mit den versprochenen Raubwürgern, zahlreichen Ziegenmelkern und mehreren Wiedehopfen von ihrer besten Seite. Aber auch die in frischem Grün erstrahlten Traubeneichenwälder am Rand der Truppenübungsplätzen wurden erkundet. Buntspecht (Dendrocopos major) und Schwarzspecht (Dryocopus martius), Kleiber (Sitta europaea), Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) und vielleicht sogar der Zwergschnäpper (Ficedula parva) sind dort möglich. Leider war die Ausbeute mitten in den Wäldern gering. Der Waldrand war da mit den immerfort rufenden Pirol (Oriolus oriolus) und auch den vielen Kuckucken (Cuculus canorus) schon viel besser.
Aber auch das offene, auch das landwirtschaftlich genutzte Land stellten sich als sehr ergiebig heraus. So konnten Wiedehopf (Upupa epops), Kleinspecht (Dendrocopos minor), Heidelerche (Lullula arborea) und Neuntöter (Lanius collurio) beobachtet und fotografiert werden. Diese Arten gehören hier zu den typischen Arten, die problemlos zu finden waren. Ein Highlight war ein Schwarzstorch (Ciconia nigra), der eines Tages aus dem Wald einflog und eine der neu gebauten Kanäle in den feuchten Wiesen aufsuchte. Aber auch eine subadulte männliche Kornweihe, Circus cyaneus, konnte eines Tages beobachtet und fotografiert werden. Natürlich konnte die Art nicht so ausführlich wie bei einer Reise auf Norderney Anfang Mai 2013 fotografiert werden. Dort konnte das Männchen beobachtet werden, wie es für sich, seine Partnerin und die Jungen in den Dünen und Grünlandflächen der Insel auf Beutejagd ging. Aber wie auf Norderney konnte auch hier als Beute anhand der Aufnahmen Wühlmäuse nachgewiesen werden. Die Beobachtung jagender Kornweihen im Sommer ist selten geworden in Deutschland. Denn die großräumigen Lebensraumzerstörungen haben dieser Art stark zugesetzt. Früher war die Kornweihe eine typische Brutvogelart der Heiden und Moore und deutschlandweit verbreitet. Im Zuge der Trockenlegung der Moore und Urbarmachung der Heiden zusammen mit einer Intensivierung der Landwirtschaft, wurde den Kornweihen der Lebensraum genommen.
Ein besonderes Ereignis war die nächtliche Suche nach Tierarten wie dem Ziegenmelker oder der Waldschnepfe. Der Ziegenmelker bevorzugt trockene Heide- und Sandflächen sowie Moorränder als Lebensraum. Bei ausgehender Dämmerung läßt das Männchen seinen fast unheimlichen, schnurrenden Gesang in den Nachthimmel ertönen.
Ein besonderes Erlebnis wäre noch die Beobachtung eines Wolfes gewesen. Ansonsten muß man sich lediglich mit den Spuren begnügen. Sollte man dem Wolf begegnen hat man nur einen kurzen Moment. Leider ist er nämlich dann genauso schnell wieder verschwunden wie er erschienen ist.
Aber auch sonst waren diese frühen Morgen bei einem in dieser Woche phantastischen Wetter (teilweise allerdings mit vielen, vielen Moskitos) ein echter Genuß. Nicht nur, aber auch ornithologisch. Zusätzlich konnte ich auf den frühen Fotografierausflügen nämlich Singvögel wie Braunkehlchen (Saxicola rubetra), Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola) und sogar Kraniche (Grus grus) mit Jungen sehen und fotografieren. Eine echte Bereicherung für das bird-lens-Portfolio.
Die ehemaligen Truppenübungsplätze in Brandburg, wie die um Lieberose oder südlich von Reicherskreuz sind insgesamt aus der Sicht des Naturschutzes extrem wertvolle Lebensräume für eine Vielzahl von Brut- und Rastvögeln und Rückzugsräume für in anderen Landesteilen verschwundene oder stark bedrohte Arten. Die ehemalige militärische Nutzung hat zwar tiefe Wunden und Berge kostspieliger Munitionsaltlasten in diesen Landschaften zurückgelassen. Sie hat andererseits dazu geführt, dass weiträumige Gebiete unbesiedelt blieben und heute nicht von Straßen zerschnitten sind. Die Vorkommen ausgedehnter Sandheiden, faszinierender Moore und Klarwasserseen haben ein großes Potenzial für den Artenschutz.
Die Reicherskreuzer und die Lieberose Heide sind Teil eines Important Bird Areas (IBA) in Brandenburg, das eine ausgedehnte Heidelandschaft im Kern schützen soll. Das IBA gehört naturräumlich zum Ostbrandenburgischen Heide- und Seengebiet und erstreckt sich über einen 28 km langen Teil der Lieberoser Endmoräne und des Reicherskreuzer Sanders. In diesem Abschnitt dominieren ausgedehnte Kiefernforste mit vielen eingestreuten Mooren und kleineren Seen vor allem aber offene Heideflächen. Es handelt sich um einen Komplex von ehemaligen Truppenübungsplätzen und militärischen Liegenschaften, der bis 1992 von russischen Streitkräften beansprucht und intensiv genutzt worden ist.
Das meist flachwellige Gebiet wird von lediglich zwei Straßen und einer inzwischen stillgelegten Bahnlinie durchschnitten und zeichnet sich daher als ein auch für brandenburgische Verhältnisse sehr gering besiedeltes und unerschlossenes Areal aus, zumal große Teile des Offenlandes aufgrund von Kontaminationen einem Betretungsverbot unterliegen. Das Spektrum der wichtigsten Lebensräume reicht gegenwärtig von ärmsten Sandoffen-Landschaften – sogar mit kleineren Dünen – und Sandtrockenrasen über Heiden und Birken- und/ oder Kiefernvorwäldern bis hin zu geschlossenen Beständen verschiedener Baumarten. Die flächenmäßige Ausdehnung dieser Biotoptypen ist beeindruckend und umfasst jeweils viele hundert bis über eintausend Hektar. Neben der Bedeutung für die Vogelwelt ist der Bestand der Schlingnatter (Coronella austriaca) bemerkenswert. Weiterhin wurden viele sehr seltene und hoch spezialisierte Arten der Wirbellosenfauna festgestellt.
Das IBA gehört zu den wichtigsten Brutgebieten des Ziegenmelkers (Caprimulgus europaeus) und des Brachpiepers (Anthus campestris) in Brandenburg und ist für diese Arten insofern auch von bundesweiter Bedeutung. Der Wiedehopf (Upupa epops) findet hier ebenfalls ein Verbreitungszentrum. Weiterhin sind als Brutvögel der Raufußkauz (Aegolius funereus), der Sperlingskauz (Claucidium passerinum) und Heidelerche (Lulluta arborea) zu nennen.
Aus regionaler Sicht sind die Brutvorkommen von Krickente (Anas crecca), Schellente (Bucephala clangula), Baumfalke (Falco subbuteo), Kranich (Grus grus), Waldwasserläufer (Tringa ochropus), Raubwürger (Lanius excubitor), Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola) und Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe) erwähnenswert. Bemerkenswert ist außerdem die relativ hohe Konzentration an Großvogel-Brutpaaren, die von der Störungsarmut des Gebietes profitieren.