Nach einem erfolgreichen Foto-Shooting der Doppelschnepfe (Gallinago media) will ich mich zum Abschluß dem Gutspark des Haeska Manor House widmen. Der zur Pension umgebauten Gutshof weist einen weitläufigen Park mit vielen alten Bäumen auf. Neben einen paar schönen alten Eichen gibt es auch alte Linden. In alten Parkanlagen soll – wie mir einheimische Naturschützer sagten – der Weißrückenspecht (Dendrocopos leucotos) recht häufig sein. Sie meinten sogar, daß in den alten Parks der Gegend der Weißrückenspecht sogar der häufigste Specht sei. Was für eine Verkehrung der Verhältnisse zu Deutschland! Ich kann dann im weiteren Verlauf sowohl Grauschnäpper (Muscicapa striata) als auch Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) sehen und schön fotografieren. Amseln (Turdus merula) flitzen die ganze Zeit zwischen Rasen und Unterholz. Der Hit sind aber die vielen brütenden Wacholderdrosseln (Turdus pilaris), die intensiv warnen, wenn sich jemand ungebührlich einem Nest mitten auf einer Asthöhle nähert. So kann ich endlich auch mal ein paar schöne Aufnahmen von der Wacholderdrossel machen. Von einem Weißrückenspecht – oder überhaupt von Spechten – ist aber weit und breit nichts zu sehen. Es ist auch nicht die richtige Jahreszeit. Die beste Zeit ist der April. Dann trommeln sie intensiv und markieren ihr Revier.
Plötzlich höre ich ein länger anhaltendes Trommeln. Eindeutig ein Specht. Und wohl zu lang, um zu einem Buntspecht (Dendrocopos major) zu gehören. Es könnte natürlich noch ein trommelnder Grauspecht (Picus canus) sein. Der ist in Estland nämlich auch ziemlich häufig. Vielleicht ist es aber auch der Weißrückenspecht? Ein paar kurze unterdrückte Rufe folgen. Das hört sich schon eher nach einem Dendrocopos-Specht an. Im Vergleich zum Buntspecht ist das Trommeln des Weißrückenspechtes wesentlich länger anhaltend. Der Ruf des Weißrückenspechts ist ein ziemlich leises “gäägg”. Das könnte also passen. Das Trommeln hält mit Unterbrechungen an. Ich folge dem Trommeln und finde tatsächlich hoch in einem alten Baum mitten in dem alten Park an einem abgestorbenen Ast einen Specht. Klar, ein Dendrocopos-Specht, der an dem abgestorbenen Ast trommelt. Der Weißrückenspecht ist etwas größer als der Buntspecht. Das kann man ohne unmittelbaren Vergleich aber nicht als Hilfestellung verwenden. Die Färbung insgesamt ist mit den weißen Punkten am ähnlichsten dem Kleinspecht (Dendrocopos minor). Dafür sind Schulterflecken wie z.B. bei Bunt- und Mittelspecht (Dendrocopos medius) beim Weißrückenspecht nicht vorhanden. Die Unterseite des Spechtgefieders ist leicht rosa bis blassrot getönt. Hand- und Armschwingen tragen breite, weiße Spitzenränder. Auffallend ist der hellrote Untersteiß. Ja, die Steifung und das rosa-rötliche Bauchgefieder identifizieren den Weißrückenspecht. Ich imitiere das Trommeln des Spechts. Mit dem Trommeln locke ich ihn dann noch in einen anderen Baum. Der Weißrückenspecht fühlt sich klar angesprochen und reagiert. Auch an seinem neuen Standort – leider wieder hoch oben ebenfalls an einem dicken, abgestorbenen Ast – läßt er sich ganz gut, wenn auch in ungünstiger Perspektive, ablichten. Was auffällt, ist diesmal der weiße Rücken, der dem Weißrückenspecht zwar seinen Namen gegeben hat, sonst allerdings nur selten gut zu sehen ist.
Der Hauptgrund für einen Trip nach Estland im Mai war, die Doppelschnepfe (Gallinago media) in ihrem angestammten Habitat zu fotografieren. Ich nahm Kontakt mit Estonian Nature Tours (Kumari Reisid OÜ) auf. Deren Motto ist “Estonian nature can offer a lot. So, do our local guides.” Ich ließ den gesamten Tourverlauf von dieser Agentur arrangieren – Ablauf, Guides und Unterkunft. Ich bin sehr zufrieden mit der Professionalität, der Kundenorientierung und Freundlichkeit aller Beteiligten. Estonian Nature Tours mit der Inhaberin Marika ist sehr empfehlenswert.
Marika hat mir ihrer Agentur exzellente Kontakte zu Vogelbeobachtern, Guides und lokalen Wissenschaftlern, um einem Naturbeobachter und Vogelfotografen kurzfristig Einblick in die estnische Vogelwelt zu verschaffen.
Das letzte Mal hatte ich den Weißrückenspecht im gemischten Buchen-Tannenwald auf ca. 1.000 m NN im Paklenica Nationalpark gesehen. Diese Höhe und das Habitat scheint der relevante Lebensraum dieser Art zu sein. Auch dort gilt der Weißrückenspecht als der häufigste Specht in den alten Buchenwäldern. Man kann also sagen, daß der kroatische Karst eine Hochburg des Weißrückenspechts ist.
Der Weißrückenspecht kommt grundsätzlich in intakten Mischwäldern, aber auch in reinen Laubwäldern, vor. In der Taigazone besetzt er auch Birken- und Espenwäldchen entlang der größeren Flüsse.
Aufgeräumte Wälder sagen dem Weißrückenspecht nicht zu. Der Specht fühlt sich in forstlich unberührten und urtümlichen gebliebenen Altholzbeständen wohl. Er braucht das verrottende Holz zur Nahrungsbeschaffung. Der oben beschriebene Park scheint also noch „unberührt“ genug zu sein. Bei der Vielzahl der alten, abgestorbenen Bäume vielleicht kein Wunder. Die wären in Deutschland wahrscheinlich schon längst der Verkehrssicherungspflicht zum Opfer gefallen.
Den Specht findet man im Süden des paläarktischen Taigagürtels. Weiter südlich ist er in gebirgigen Lagen zu finden. Im Bereich des Taurusgebirges, in den Karpaten, auf der Balkanhalbinsel, den östlichen Alpen, dem Apennin, den Pyrenäen und auf Korsika ist der Weißrückenspecht heimisch, ebenso in den Mittelgebirgen der Slowakei kommt er häufig als Brutvogel vor.
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