Ein früher Morgen am Kanal des Toshka-Projekts. Zwischen vielen Graureihern (Ardea cinerea) stehen aufrecht, als hätten sie einen Stock verschluckt, zwei Exemplare einer aus Afrika bekannten Art. Es ist der Nimmersatt (Mycteria ibis). Die Vögel stehen ganz still mit hängendem Schnabel. Schön sind die Farben in der Morgensonne zu sehen. Nach diesem afrikanischen Einfluß hatte ich gesucht. Damit vervollständigt sich die Vogelliste für die Westpaläarktis ein weiteres Mal. Sonst treiben sich natürlich noch etliche Kuhreiher (Bubulcus ibis) und Rallenreiher (Ardeola ralloides) herum. Eine Überraschung ist die Anwesenheit einer beachtlichen Anzahl von Löffelenten (Anas clypeata), die – soweit erkennbar – weitgehend aus Männchen bestehen.
Kurz bevor wir die Kreuzung mit Polizeisperren erreichen, ist das erste Vogelerlebnis schon mal zu sehen. Massen an Nilgänsen (Alopochen aegyptiacus) sind am Himmel zu erblicken. Sie kommen zwischen den Starkstromleitungen der hohen Strompylonen angeflogen. Ein phantastischer Anblick. Ein Erlebnis, das man von Mitteleuropa vom Zug der Kraniche (Grus grus) kennt. Nur jetzt eben über der Wüste. Sie kommen aus dem Süden angeflogen und steuern unzweifelhaft die Wasser des (künstlichen) Flusses an. Wenig später sind wir wieder am nördlichen Ende der Brücke, an dem Platz, den wir ja schon vor 2 Tagen besucht hatten. Ich lasse meinen Fahrer die Staubpiste wieder ganz herunterfahren. Hier befinden sich einige Hütten. Wenn man möchte, kann man sich mit einem Tee beim Beduinen aufhalten. Ich finde sogar ein schattiges Plätzchen an einer Hütte. Schnell ist das Spektiv aufgebaut ich schaue durch.
Das Großprojekts Toshka, 1997 initiiert, soll einen Traum verwirklichen. Ein Traum, der auf einen Schlag alle Probleme lösen soll: Die Wüste soll urbar gemacht und besiedelt werden.
Unvorstellbare 25 Millionen Kubikmeter Wasser werden jeden Tag von der weltweit größten Pumpstation aus dem Nasser-See gepumpt und in den 50 Kilometer langen Hauptkanal geleitet. Trotz der hohen Außentemperaturen, die im Sommer bis zu 50 Grad im Schatten erreichen können, wird das kostbare Nass offen und ungeschützt gegen Verdampfung nach Toshka geführt. Die Wassermenge ist einfach zu hoch, um sie in Pipelines transportieren zu können. Für einheimische Vögel, vor allem aber Zugvögel scheint es ein Segen zu sein. An einem parallel zum Betonkanal verlaufenden, natürlich aussehenden Kanal ist der Wasserstand deutlich im Vergleich zum Hochwasser im Winter gesunken. Der Seitenkanal dient wohl als Überlauf, um eine gleichmäßige Wasserführung im Betonkanal zu gewährleisten. Perfekte Bedingungen nicht nur für den Nimmersatt und die vielen Reiher.
Der Nimmersatt ist in den Afrotropen weit verbreitet. In der Westpaläarktis wird er nur in bei Abu Simbel in Südägypten und am Banc d’Arguin in Mauretanien regelmäßig nachgewiesen. In Ägypten wird die Art meist in den Sommermonaten am Nasser-Stausee als Besucher auf Nahrungssuche beobachtet. Vielleicht beschränken sich die Beobachtungen aber auch daher meist auf die Region Abu Simbel weil dieser Teil der Gegend aufgrund des Vorkommens afrotropischer Arten und einer guten touristischen Infrastruktur etwas häufiger von Ornithologen aufgesucht wird.
Eine Studie aus dem Jahr 2020 (Hering-et-al.-2020_Yellow-billed-Storks-at-lake-Nasser-Egypt.pdf) beschreibt Zählungen zur Anzahl der Nimmersatt-Störche am Nasser-Stausee während drei Expeditionen, die sich hauptsächlich auf die Brutvögel konzentrierten. Beobachtungen zeigen, dass der Nimmersatt über weite Teile des Nasser-Stausee vorkommt. Besonders bemerkenswert waren über 500 Individuen, die während einer Expedition im Jahr 2016 registriert wurden. Höchstzahlen in Ägypten werden meist ab Mitte Juni 1990 bis Mitte Juli beobachtet. Dagegen gibt es – anders als in der Region Abu Simbel – in Nordwestafrika während der Regenzeit (Juli-September) eine gewisse Bewegung in Richtung Norden an der Küste Mauretaniens entlang.
Um die wachsende Nachfrage nach Top- Aufnahmen der selteneren Arten der Paläarktis zu bewältigen, ist Bird-lens.com bestrebt, das Spektrum der Bilder von Vögeln der Westpaläarktis weiter auszubauen. Trips zu abgelegenen Orten, um Bilder von seltenen Vögeln der Westpaläarktis zu machen, waren sehr erfolgreich. Dieses schöne Bild des Blogs ist nur ein erster Eindruck, was Sie in der Galerie im “Picture Shop” sehr bald finden können. Hinterlassen Sie doch einfach eine Nachricht, wenn bird-lens.com mit einem Bild dienen kann.