Schon lange habe ich Mauerläufer (Tichodroma muraria) im Visier. Fotos – oder überhaupt Beobachtungen – vom Mauerläufer sind mein Traum. Ich war schon Tage zu Fuß im Karwendel, im Tien Shan, in den Karparten unterwegs, bin teilweise in großer Höhe gewandert und habe diesen Hochgebirgsbewohner dann doch verpasst. Da bin ich nicht allein. Der Mauerläufer ist überhaupt einer der begehrtesten Vögeln in Europa. Das Internet ist da allerdings ein Hilfe. Ein Problem ist, daß es (zu) viele Orte gibt, wo Mauerläufer angeblich leben. Der Haken ist einen zuverlässigen Ort zu finden. Die Reise soll sich ja lohnen. Dies gilt wohl nicht nur für Brutgebiete sondern insbesondere für Überwinterungsplätze. So war ich froh, einen Artikel von Dave Gosney vom 19. März 2008 zum Thema „Birding abroad” zu finden. Der Artikel lautet: „Finding Wallcreepers in the Sierra de Guara“. Die Sierra de Guara ist eine Bergkette südlich des berühmten Ordesa Nationalpark in Nord-Spanien. Die Gipfel erreichen bis zu 2000 Meter und sind durch Flüsse, die eine Reihe von tiefen Schluchten bilden geteilt. Das macht die Gegend perfekt für Mauerläufer, die von den höchsten Gipfeln der Pyrenäen nach unten wandern, um den Winter an senkrechten Felswänden in tieferen Lagen zu verbringen. Diese überwinternde Vögel können von Anfang November bis Anfang April gesehen werden. In der Sierra de Guara in Aragonien werden von Gosney vor allem „El Huevo de Morrano“ , der “Embalse de Calcon” , der Vadiello Staudamm, der Canyon de Mascun, Rodellar und schließlich der schöne, mittelalterliche Ort Alquezar als Überwinterungsgebiete genannt. Ok, das hört sich gut. Ich beschließe mein Quartier in Alquezar aufzuschlagen. Und Alquezar ist wirklich ein mittelalterliche Postkartenstadt. Eine echte Touristenattraktion für die Sierra de Guara.
Ich fahre nun an 3 Morgen zu einem der Parkplätze mitten im Ort. Anfang März sind nur ganz wenige Touristen unterwegs. Das Wetter spielt mit. Nach Regen in den Wochen vorher, klart es am Ankunftstag auf und es herrscht die nächsten Tage ein tolles Frühlingswetter. Der Himmel ist vollkommen aufgeklart und die Sonne scheint von einem stahlblauen Himmel. Morgens früh ist es kühl allerdings – so um die 0° Grad. Die Kalksteinwände in der Nähe des Klosters bzw. der Kirche (die Colegiata) sollte man sich näher anzugucken. Besonders attraktiv erscheint mir der Felssporn auf dem die Colegiata steht. Der Fels ist auf der einen Seite dicht mit Efeu bewachsen, die andere (südliche) Seite ist dagegen fast blank; nur einige niedrige Kräuter krallen sich an der Steilwand fest. Beide Seiten ziehen eine Menge Vögel an. Es ist offensichtlich Vogelzug. Als erstes fällt mir ein Buchfink (Fringilla coelebs) auf. Hier sind dann auch die ersten Singdrosseln (Turdus philomelos) zu sehen. Sehr häufig sogar, wenn auch meist gut versteckt. Sogar eine einzelne Rotdrossel (Turdus iliacus) ist noch anwesend. Auffallend viele männliche Mönchsgrasmücken (Sylvia atricapilla) sind zu sehen. Es dauert noch einen ganzen Tag bis ich das erste Weibchen der Mönchsgrasmücke sehen kann. Ein Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) darf natürlich in dieser Umgebung auch nicht fehlen.
Die Kalksteinfelsen sind wie geschaffen für den Mauerläufer. Leider nichts. Ich stelle mich dann mal auf eine der gut hergerichteten Miradores und genieße den Sonnenaufgang der Punkt 7:40 stattfindet und phantastisch die südliche Seite der Colegiata bescheint. Super, was für ein Schauspiel. Laut Aussage der Concierge sollen die Mauerläufer nicht selten – so auch vor 10 Tagen – direkt am Felsen der Colegiata oder an den Felsen unterhalb gesehen werden. Sogar auf den Hausfassaden wurden sie schon gesehen (und fotografiert). Super fällt die Sonne auf die Felsen. Leider sehe ich den Mauerläufer nicht.
Dafür habe ich Gelegenheit, mich ausgiebig in einer herausfordernden Fotografieraufgabe zu betätigen. Ein männlicher Sperber (Accipiter nisus) taucht im schönsten Morgen-Gegenlicht auf. Er hat sich offensichtlich die nähere Umgebung als Territorium ausgesucht und nimmt kurz auf einem Ast direkt an der Felskante Platz. Das paßt den anwesenden Alpenkrähen (Pyrrhocorax pyrrhocorax) gar nicht. Ausgiebig wird der Sperber attackiert. Natürlich ist es kein Problem für den Greif, die Alpenkrähen auszumanövrieren. Trotzdem scheint es zu nerven. Etliche Runden dreht er noch im Gegenlicht der gerade aufgegangenen Sonne und verschwindet schließlich hinter dem Felssporn.
Der krönende Abschluß ist dann noch die Beobachtung einer Blaumerle (Monticola solitarius). Der schwirrende Gesang der Zaunammer (Emberiza cirlus) ist die ganze Zeit zu hören. Das Männchen dann aber auch mal zu sehen, ist eine ganz andere Herausforderung. Es gelingt dann aber doch. Was für ein Morgen!
Um mit der wachsenden Nachfrage nach guten Fotoaufnahmen der selteneren Arten der Paläarktis Schritt zu halten, ist Bird-Lens.com sehr daran interessiert, den Umfang der Bilder der Vögel in der Westpaläarktis weiter auszubauen. Reisen zu abgelegenen Orten wie Finnland im Winter oder im Frühjahr nach Spanien, um Bilder von seltenen Vögeln der Westpaläarktis zu machen, waren sehr erfolgreich. Das schöne Bild, das Sie zu diesem Blog finden, ist nur ein Vorgeschmack dessen, was Sie in der Galerie “Picture-Shop” finden. Geben Sie mir einfach Bescheid, wenn ich Ihnen mit einem zusätzlichen Bild dienen kann.