Zugvogelraritäten auf den Pribilofs

BruchwasserläuferDie kleine Saab-Propellermaschine ist schon seit gut einer Stunde über dem unendlichen nördlichen Pazifik unterwegs als in weiter Ferne ein brauner Streif Inseln im windgepeitschten Meer der Beringsee auftauchen. Das sind die Pribilofs. Wir steuern St. Paul an. Der Flug hat immerhin gut 3 Stunden mit Unterbrechung in einem verlassenen Nest gedauert. Braun ist die vorherrschende Farbe, die man beim Anflug auf St. Paul wahrnimmt. Mit Platz 2A hatte ich einen der vorderen Plätze ergattert und kann ganz gut auch den Rucksack unter dem Vordersitz unterbringen. Die Gepäckafubewahrung oberhalb der Sitze ist nämlich extrem schmal. Das sollte man als Fotograf beachten. Die Maschine hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Als die Turbo-Props am Flughafen von Anchorage angeschmissen wurden, denkt man, das kann doch nicht wahr sein. Es werden Oropax verteilt. Das Getöse der Maschinen wird man nur 3 Stunden lang nicht los.

Als wir näherkommen, sehen wir, daß es nicht nur braune Farbe auf der Insel gibt. Meterhohe Wellen aus einem dunkelblauen Meer brechen gegen die schroffe, felsige schwarzschimmernde Küste. Als wir landen, brechen auf einmal Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Sie verzaubern ruckzuck die wilde Landschaft. Der melancholische Charakter der offenen Tundra ist offenkundig. Als wir aus dem Flugzeug vor dem Hangar aussteigen, ist es auf einmal ganz ruhig. Was für ein Kontrast zu dem Lärm in der Maschine. Nur ab und zu erklingt der melancholische Fluggesang der Spornammer (Calcarius lapponicus) oder die hohen Triller der Beringstrandläufer  (Calidris ptilocnemis).

Baumfreie, Tundra-bedeckte Hügel prägen das Landschaftsbild der Pribilofs. Dafür beherbergen sie die größte Seevogelkolonie der nördlichen Hemisphäre mit 98 Prozent der Weltpopulation der Klippenmöwe (Rissa brevirostris). Außerdem findet sich hier ja die bereits beschriebene stärkste Brutkolonie des Rotschnabelalks (Cyclorrhynchus psittacula) und möglicherweise auch des kleinen geselligen Zwergalks (Aethia pusilla). Weiterhin kommen Schopfalken (Aethia cristatella) vor. Die größte Anzahl an Brutvögeln ist ab Ende Mai bis in den Sommer anzutreffen. Die Artenzahl ist allerdings bei der hohen Individuendichte überschaubar. Bei unserem viertägigen Aufenthalt auf den Pribilofs konnte ich weitgehend des gesamten Brutvogelbestand beobachten. Viele Vogelbeobachter kommen neben den Brutvögel aber vor allem wegen der gefiederten Irrgäste auf die Pribilofs.

Schon am ersten Ankunftstag ist die hier sehr seltene Reiherente (Aythya fuligula), ein  Mongolenregenpfeifer (Charadrius mongolus), ein  Grünschenkel (Tringa nebularia), mindestens 5 Bruchwasserläufer (Tringa glareola), 3 Langzehen-Strandläufer (Calidris subminuta), Langzehen-Strandläufereine Kamtschatkamöwe (Larus schistisagus) zu sehen. In den folgenden Tagen kommen noch ein Rubinkehlchen (Luscinia calliope) und ein Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe) mit auf die Raritätenliste.

Im Grunde laufen die Dinge auf St. Paul Island so, daß – unabhängig, ob man auf die Insel als Teil einer Birding-Gruppe mit einem eigenen Guide oder als Einzelperson ohne Führung kommt – man jeden Tag von den lokalen Guides, den heimischen Experten gegriffen und an die besonderen Flecken (also die mit den Raritäten) der Insel geführt wird. Wenn eine der Gruppen mit ihrem Guide eine besonders gute Vogelart findet, werden die anderen Führer benachrichtigt und in der Regel sofort in das Gebiet fahren, so dass alle Ornithologen auf der Insel eine Chance haben, die Seltenheit zu sehen. In Abwesenheit von Raritäten, nehmen die Wagen die Ornithologen auf, um so viele der guten Beobachtungsgebiete wie möglich abzuklappern. Das läuft sehr professionell. Damit kann man so ziemlich alle regulären Zugvögel der Insel plus die ein oder andere echte Rarität sehen. Birding auf St. Paul Island heißt, früh aufstehen, dann Frühstück und dann raus bis ca. 21:00 oder 22:00 Uhr. Pausen gibt es nur für das Mittagessen und Abendessen. Man sucht praktisch alle produktiven Punkte ab. Von den Klippen – meist von Stellen hoch oben auf den Klippen – zu Geröllstränden (für die Seevögel-Beobachtung), Wattenmeer, Seen, Sümpfen, Überschwemmungs- und Feuchtgebiete rund um die Seen, Lavafelder, Hügel im Inselinnern und entlang der Straßen.

Eine Fotoausrüstung mit langen Brennweiten ist gerade bei der Suche nach den Raritäten, die erstaunlich scheu sind, ein Muß. Das macht das Gehen auf dem unwegsamen Untergrund nicht leicht. Beim Wandern sind kniehohe Gummistiefel, Wanderstiefel mit Überziehern (sogenannte NEOS) und / oder Überhosen angeraten und an manchen Stellen auch erforderlich.

Die klimatische Härten sind beachtlich. Die Temperaturen liegen im Sommer bei durchschnittlich 10° C. Das feuchte Klima sorgt oft für an Tau erinnernde Wassertropfen auf der Vegetation. Dichter Nebel, besonders am Morgen, bietet aufgrund der Taubildung zwar interessante Motive, doch Regen und wolkenverhangener Himmel sind ebenfalls sehr häufig. Wie bereits gesagt, hatten wir dieses Jahr ausgesprochenes Glück. Nur an einem Tag war kein Sonnenaufgang zu beobachten. Das gute Wetter soll zu dieser Jahreszeit äußerst selten ist.

Die Pribilof- Inseln sind am besten von Anchorage per Flugzeug zu erreichen. Die Inseln liegen fast 500 km westlich vom Festland Alaskas und knapp 400 km nördlich der Äleuten mitten im windgepeitschten Meer der Beringsee. Achtung, die Witterung ist rau, es regnet praktisch jeden Tag. Aber es lohnt sich!

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