Tautropfen hängen auf den sich neigenden Grashalmen in der weiten Flußaue der Warthe am frühen Morgen. Es ist Sommer und die Sonne geht sehr zeitig auf. Ein dicker, roter Ball hat sich über den Horizont geschoben. Aber noch hat die Sonne ihre Strahlen nicht ausgeschickt, die letzten Reste der Nacht zu vertreiben. Die perfekte Stunde, um den Wachtelkönig (Crex crex) zu finden. Vor allem im Bereich vor dem Hochwasserschutzdeich an der Warthemündung gibt es ausgedehnte Weiden, die auch jetzt – Anfang Juni – noch nicht gemäht sind. Sie geben dem Wachtelkönig Schutz und Heimat; ein perfektes Habitat für diese Wiesenralle.
Ich gehe einen Plattenweg entlang, der vom Deich zu Weiden näher am Fluß führen soll. Weiden (Salix sp.) säumen von Zeit zu Zeit die hohe Wiesen- und Staudenflur. Ich höre nicht nur die Rufe des Sumpfrohrsängers (Acrocephalus palustris), der Dorngrasmücke (Sylvia communis) und natürlich auch die kratzenden Rufe des männlichen Neuntöters (Lanius collurio). Dann höre ich im Hintergrund die Rufe eines Wachtelkönigs; eindeutig. Ich ahme dann die stereotypen, sich immer wiederholenden Rufe des Wachtelkönigs. Obwohl ich den Eindruck hatte, daß sich der Wachtelkönig vorher weit in der Fläche aufgehalten hatte, dauert es nicht lange, als auf einmal mit beeindruckender Lautstärke der Vogel direkt neben mir zu stehen scheint. Im hohen Gras ist natürlich nichts zu sehen. Beim nächsten Mal scheint der Vogel sich in einem Weidendickicht direkt neben dem Plattenweg zu befinden.
Schnell ist ein Tarnzelt aufgeschlagen. Ich stelle einen Bluetooth-Lautsprecher an den Wegesrand, direkt dort wo das hohe Gras aufhört und warte. Obwohl die Reichweite von Bluetooth ja begrenzt ist, ist das bei der vorsichtigen, aber auch neugierigen Verhaltensweise des Wachtelkönigs kein Problem. Plötzlich – ohne daß sich ein Zweig im Weidengestrüpp bewegt hätte, steht der Vogel da. Wenn auch im Schatten des Strauches, so doch ungeschützt, praktisch mitten am Wegesrand. Er betrachtet die ganze Szenerie – mich inklusive – skeptisch aber trotzdem neugierig. Dazu streckt er den Hals und macht sich ganz schlank. Dann wieder duckt er sich und läuft ohne Hast den ausgetretenen Rand des Feldwegs entlang bis er hinter dem Weidengebüsch im Gras verschwindet.
Nachdem sich noch vor einigen Wochen eine fast uferlose, weite Wasserfläche ausgebreitet hatte im Nationalpark „Ujście Warty“ (Warthemündung) ganz in der Nähe von Kostrzyn (Küstrin) ist das Wasser nun deutlich auf dem Rückzug. Vor allem am Südrand des Überschwemmungsgebietes eröffnet sich ein grandioser Überblick über die weiträumige Landschaft. Natürlich ist bei hohem Wassertand, das reiche Vogelleben noch spektakuläre zu bewundern. Durch Überfluten der Feuchtwiesen im Herbst und Frühjahr können die Wasserstände im Jahreslauf bis zu vier Metern schwanken. Nun – im Sommer – läßt sich die hohe Zahl eher erahnen. Die Artenvielfalt hat sich von den Großvögeln zu den Singvögeln verschoben. Viele brüten hier und nutzen die natürliche und naturnahe Niederungslandschaft. So auch der Wachtelkönig, der in vielen Gebieten im Westen schon für längere Zeit ausgestorben ist. Sinkende Grundwasserstände und der Verlust der feuchten Wiesen haben einen spürbaren Bestandseinbruch auch in ehemals gute, produktive Lebensräume verursacht.
Der Nationalpark „Ujście Warty“ ist einer der jüngeren Groß-Schutzgebiete Polens. Er wurde im Jahr 2001 gegründet. Der Zugang von Mitteleuropa aus, ist einfach, denn das Gebiet liegt an der westlichen Grenze des Landes. Nur 80 Kilometern ist Küstrin von Berlin entfernt. Die Warthe durchfließt das Gebiet und wandelt die Fläche von etwa 8.070 Hektar in eine vom Wasser bestimmte Auenlandschaft um, ehe sie als Binnendelta bei Kostrzyn die Oder erreicht. Natürliche Flussarme, zahlreiche Altwässer und Kanäle schaffen ein Paradies für die Tier- und Pflanzenwelt. Zu allen Jahreszeiten ändert sich das Landschaftsbild. Vogelreicht ist es aber zu allen Jahreszeiten. Die Einmaligkeit der Vogelwelt und die weitgedehnten Feuchtbereiche gaben Anlass zur Aufnahme des Parks in internationale Schutzbestimmungen. Eine Aufnahme in die Ramsar-Konvention, das „Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensräume für Wasser- und Watvögel von internationaler Bedeutung“ wäre ein großer Erfolg.
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