Schwanennest in Tundra

SingschwanBei eisigen Temperaturen und Schneefall bauen jedes Jahr im Naturreservat Børselvdalen im Norden Norwegens Singschwäne (Cygnus cygnus) ihre Nester. Der Schwanenvogel stand bereits kurz vor dem Aussterben, doch glücklicherweise hat sich die Population wieder erholt. An den Seen und in den ausgedehnten Torfmooren im Norden Norwegens sind Singschwäne zwar teilweise sogar direkt von der Straße aus zu sehen. Jedoch müssen Naturfotografen viel Zeit und Geduld mitbringen, wollen sie die scheuen Singschwäne und ihren Nachwuchs bei all ihren Aktivitäten in der Brut- und Führungszeit fotografieren.

Singschwäne beginnen zu nisten, sobald die Gewässer eisfrei sind, auch dann wenn es gelegentlich noch schneit. Wenn der erste Schnee fällt, verlassen die Singschwäne den Norden Skandinaviens und ziehen zum Überwintern an die Küsten von Nord- und Ostsee. Erst Ende März treten sie wieder den Rückflug in ihre Brutgebiete an, die dann noch immer von Schnee bedeckt sind. Sie treffen stets Anfang April auf den noch nicht ganz eisfreien Gewässern ein, wo sie mit den nötigen Fettreserven eintreffen, um die eisigen Temperaturen auszuhalten, die zu dieser Jahreszeit Norwegen beherrschen. Jedes Jahr kommen auch am Fluß Børselva zuerst die Familienclans an. Das sind die erwachsenen Vögel mit ihren Jungen des Vorjahres. Singschwäne wählen bei ihrer Rückkehr die freien Wasserstellen, die ihrem Territorium am nächsten sind. Tag für Tag verlassen sie dann vorübergehend diese Versammlungsplätze und überfliegen die noch mit Schnee und Eis bedeckten Flächen, auf denen sie ihr Nest errichten wollen. Schwäne sind sehr stark an ihr Territorium gebunden. Sie verteidigen ihren Nistplatz und dessen Umgebung heftig gegen jeden Artgenossen. Den ersten Singschwänen folgen wenig später die noch nicht geschlechtsreifen Paare, die ebenfalls ein Territorium verteidigen, in dem sie sich jedoch erst im darauffolgenden Jahr fortpflanzen werden.

Im April hatte ich auf einem zugefrorenen Torfmoor im Naturreservat Børselvdalen Spuren entdeckt, die anzeigten, daß ein Singschwanpärchen eine Stelle aufgesucht hatte, um sein Nest zu bauen. In der folgenden Zeit besuchte ich mehrmals diese Stelle um mich zu vergewissern, daß sich das Paar häuslich niedergelassen hatte. Schließlich stellte ich Mitte Mai mein Zelt auf, ohne es vollständig zu tarnen. Ich wollte die Schwäne langsam an meine Anwesenheit gewöhnen, um mich später beim Fotografieren relativ frei bewegen zu können.

Singschwäne wählen zwei sehr unterschiedliche Habitate als Nistplätze: Seen und Torfmoore. Die von ihnen aufgesuchten Seen bieten reichlich Nahrung. In ihnen werden die Nester auf kleinen Inseln gebaut, und das Elternpaar bleibt mit seinen jungen dort, bis sie im Herbst in wärmere Gefilde fliegen. Viele Paare wählen auch die ausgedehnten Torfmoore zum Nisten. Dort legen sie, sobald das Eis geschmolzen ist, ihre Nester an, und das Weibchen beginnt, seine Eier an dem von Wasser umgebenen Nistplatz auszubrüten. Da Moore nur wenig Nahrung bieten, verlassen die Singschwäne sie bereits kurze Zeit nach dem Schlüpfen der Jungen und suchen nahegelegene Seen auf.

In Europa gibt es zwei Populationen von Singschwänen. Die eine lebt im russisch-skandinavischen Raum, die andere in Island. Der Singschwan ist ein scheuer und ängstlicher Vogel, der sofort jeden bemerkt, der sich dem Nest nähert. Auch das Pärchen, das ich im Naturreservat Børselvdalen fotografieren wollte, war äußerst wachsam. Doch ich war entschlossen, mich beim Fotografieren nicht durch eine Tarnung in meiner Bewegungsfreiheit einschränken zu lassen. Ich hatte vor, das Schlüpfen der Jungen zu beobachten, ohne ein Ansitzversteck bauen zu müssen. Das Paar sollte mich langsam als Teil ihrer Umwelt akzeptieren. Fast dreißig Tage hindurch suchte ich daher täglich für kurze Zeit die Umgebung des Nestes auf und vermied dabei jede heftige Bewegung. Ich kam immer zur gleichen Zeit auf dem gleichen Weg, trug Kleidung in ähnlichen Farben und machte die gleichen Bewegungen. Jeden Tag ließen mich die Vögel etwas näher kommen. Die beiden Singschwäne wurden nie aggressiv. Das Weibchen blieb auf dem Nest sitzen, während das Männchen gewöhnlich auf mich zukam. Blieb es stehen, blieb auch ich stehen und tat so, als würde ich mich nicht für die Vögel interessieren. Dann kehrte ich zu meinem Lager zurück. Das Männchen nahm nie eine drohende Haltung ein. Das Weibchen allerdings wirkte besorgter. Seine Bewegungen waren sehr langsam, als fürchtete es, sich einer Gefahr auszusetzen. Es ließ mich nicht aus den Augen. Nach drei Wochen hatte sich das Paar jedoch offensichtlich beruhigt und interessierte sich nicht weiter für mich. Die anfängliche Neugier machte nach und nach einer fast völligen Gleichgültigkeit Platz, Irgendwann konnte ich bis auf 20 Meter an das Nest heran, ohne das Weibchen aufzuschrecken. Ich konnte auch langsam um das Nest herumgehen, ohne feindselige Reaktionen der Vögel zu provozieren. Solange ich eine bestimmte

Distanz zum Nest wahrte, hatte ich nun die Möglichkeit, meine Schwanenbilder zu gestalten, wie ich wollte, und die verschiedenen Lichtstimmungen zu nutzen.

Die Brutzeit dauerte etwa 35 Tage und bedeutete für die Schwäne eine ruhige Phase, da es in dieser Gegend nur wenige Raubtiere gibt. Das Weibchen saß täglich über 20 Stunden auf dem Gelege und verbrachte die restliche Zeit damit, Nahrung zu suchen und sein Gefieder zu putzen. Nachdem die beiden ersten Jungen geschlüpft waren, blieb das Männchen den ganzen Tag hindurch in der Nähe des Nestes und beobachtete mich wieder mit größerer Aufmerksamkeit. Bald war das ganze Gelege geschlüpft. Während der ersten Lebenslage bleiben die Jungen im Nest, dann beginnen sie die Umgebung zu erkunden. Schließlich schwammen die ersten Jungen schon zusammen mit dem Männchen auf dem Wasser. In knapp 20 Meter Entfernung vom Nest begnügte ich mich fast bewegungslos damit, die Szene mit der Kamera festzuhalten. Nach einiger Zeit kehrten die Jungen zum Nest zurück und suchten das warme mütterliche Gefieder auf. Nur wenige Tage später verließ die Schwanenfamlie das Nest und wanderte zum etwa zwei Kilometer entfernten größeren See, der ihnen reichlich Nahrung und mit seiner hohen Vegetation einen sicheren Zufluchtsort bot. Sie blieben dort bis zum herbstlichen Aufbruch.

Insgesamt verbrachte ich mehrere Monate alleine in der Abgeschiedenheit im Norden Norwegens, um die Singschwäne zu beobachten und ihr Leben und Verhalten zu studieren. Meistens arbeitete ich in der Nacht, wenn die Sonne gegen Mitternacht unterging und zwischen 1 und 2 Uhr morgens wieder aufging. Dann herrschte im Naturreservat Børselvdalen eine Sommernachtsatmosphäre ohne starkes Licht und ohne Schatten. In der Morgendämmerung kam oft leichter Nebel auf, den die ersten Sonnenstrahlen erhellten. Wenn die leuchtend weißen Schwäne dann, ohne mich zu beachten, vor dem Hintergrund aus hellgrünem Riedgras, Fichten und azurblauem Himmel in aller Ruhe ihren Nachwuchs versorgten, wußte ich, daß sich meine vorsichtige Annäherung an sie gelohnt hatte.

Das Naturreservat Børselvdalen weist eine Fläche von 7,9 km² auf. Es handelt sich hier um eine nahezu unberührtes Laubwaldgebiet und Ökosystem mit kalkliebender Vegetation auf Dolomit. Das Gebiet ist durch eine artenreiche Vegetation mit kalkliebenden Arten und Kiefernvorkommen charakterisiert. Die Vegetation wird jedoch von Birkenwald dominiert, vereinzelt

Das Naturreservat Børselvdalen ist am besten von Lakselv per Auto in ca. 40 Minuten über knapp 50km gut ausgebaute Straße zu erreichen.

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