Der Bindenkreuzschnabel, ein Vogel der Taiga, ist in Mitteleuropa höchstens mal im Winter bei einer seiner Invasionen zu sehen. Dann schließt er sich nicht selten den anderen Kreuzschnabel-Trupps an. Als europäische Brutgebiete des Bindenkreuzschnabels sind nur vereinzelte Stellen in Nordfinnland und Nordschweden bekannt. Um gute Fotos des Hakengimpels zu schießen, ist eine lange und vorbereitungsintensive Reise zu seinen Brutregionen wohl nicht zu vermeiden. Dabei lassen sich zwar auch einige andere Singvögel der Taiga beobachten. Genannt seien hier nur der Unglückshäher (Perisoreus infaustus), der Polarbirkenzeisig (Acanthis hornemanni), der Taigabirkenzeisig (Acanthis flammea), die Lapplandmeise (Poecile cinctus) und natürlich der Hakengimpel (Pinicola enucleator). Aber es bleibt eine aufwändige Angelegenheit.
Bei einem Alaskatrip im Mai/ Juni 2016 stellte sich heraus, daß es auch Alternativen gibt, um einen Bindenkreuzschnabel bei sehr guten Fotomöglichkeiten zu beobachten. Es handelte sich zwar um den Nordamerikanischen Bindenkreuzschnabel, aber die Unterschiede – obwohl vorhanden (s. z.B. die Zeichnungen verschiedener Schnabelstrukturen der beiden Kreuzschnabel-Unterarten in British Birds 100 • November 2007 • 650–657 sind nicht so groß und auch die Nominatform, der Nordamerikanische Bindenkreuzschnabel, kann als Irrgast in der Westpaläarktis vorkommen. Es gibt nämlich zwei Unterarten. Den Nordamerikanischen Bindenkreuzschnabel Loxia leucoptera leucoptera und den Europäischen Bindenkreuzschnabel Loxia leucoptera bifasciata, der in Eurasien brütet.
Bei einem Bindenkreuzschnabel handelt es sich – ähnlich wie beim Hakengimpel – nicht um einen Vogel, der irgendwo einfach mal zu sehen ist. Ganz im Gegenteil. Am Strand der Ortschaft Gambell auf St. Lawrence bestanden Ende Mai perfekte Gelegenheiten, um ausgiebig Fotos dieser, auch in der Westpaläarktis vorkommenden, Art zu machen.
Schon an den ersten Tagen des Aufenthalts auf St. Lawrence, dieser abgelegenen Insel, mitten in der Beringsee waren Kreuzschnäbel gemeldet worden. Es handelte sich immer um Bindenkreuzschnäbel, die an einer der nährstoffreichen Senken, den sogenannten Boneyard (ehemaligen Knochen-Abfallplätze) für kurze Zeit gesichtet wurden und dann auch schon wieder verschwunden waren. Das ist bemerkenswert insofern, daß zwar bekannt ist, daß diese Art kontinentweite, west-östliche Einflüge in Reaktion auf Veränderungen in der Nahrungsversorgung anstellt, ansonsten aber nicht als Langstreckenzieher im klassischen Sinne angesehen wird. Gegen Ende des Aufenthalts auf St. Lawrence trudelt die Meldung herein, daß einer der Teilnehmer der Birdertruppe bei einem abendlichen Ausflug einen Bindenkreuzschnabel im Far Boneyard gesehen hätte. Er sei auch noch da. Also schlüpften wir ruck zuck in unsere Klamotten und düsten mit den Quads über die kiesige „Dorfstraße“ zum Boneyard. Der Kollege kommt uns armeschwenkend entgegen. Der White-winged Crossbill wäre gerade weg geflogen, aber er wurde noch im Flug verfolgt. Ein Männchen des Bindenkreuzschnabels sei wohl direkt neben der Piste an den 3 Windrädern am Dorfrand gelandet. Und tatsächlich. Direkt neben der Kies-Schotterpiste labt sich ein wunderschönes Männchen im Prachtkleid an den Grassamen und läßt sich auch durch die Annäherung von bestimmt 20 Birdern und Fotografen nicht stören. Sehr schön ist der im Vergleich zum Fichtenkreuzschnabel (Loxia curvirostra) deutlich dünnere Schnabel zu sehen. Auch das ausgedehnt weiße doppelte Flügelband ist nicht zu übersehen. Dafür, daß im Allgemeinen die Männchen als eher rosafarben beschrieben werden, zeigt sich das Männchen schon in einer ausgesprochen intensiv ziegelroten Färbung. Seine Nahrung besteht im Brutgebiet in erster Linie aus den Samen der Lerche, zusätzlich ernährt er sich von Samen der Zeder, Fichten und anderen Koniferen. Er nimmt aber auch eine Vielzahl von Beeren sowie tierische Nahrung in Form von Spinnen Insekten und deren Larven auf. Hier auf St. Lawrence fiel der Bindenkreuzschnabel mit Heißhunger über die vertrockneten Samenkapseln vorjährigen Grases her. Die wunderbare Fotografier-Gelegenheit wurde noch dadurch gesteigert, daß auch noch ein Taigabirkenzeisig (Carduelis flammea) direkt neben dem Crossbill einfliegt und neben ihm Platz nimmt und ebenfalls mit der Nahrungssuche beginnt. Formatfüllende Aufnahmen im wunderschönen Abendlicht gelingen so. Es ist schon 21:30 als ich mich endlich von dem Bindenkreuzschnabel, dem White-winged Crossbill, losreißen kann.
Angesichts der Schnabelform handelt es sich wohl – wie weiter oben bereits gesagt – um den Nordamerikanischen Bindenkreuzschnabel (Loxia leucoptera leucoptera). Typisch für diese Unterwart ist, daß sich die Spitze des Oberschnabels (der oberen Mandibel) auffallend über die Spitze des unteren Schnabels erstreckt. Auch die intensive Rotfärbung, ein dunkles Purpur, weist eher auf die Nominatform. Männchen der Nominatform können gemäß der Zeichnungen in British Birds 100 • November 2007 • 650–657 drei verschiedene Farbmorphen aufweisen: ein dunkles Purpur, ein Pastellrosa und ein Orange-rosa. Dabei ist das dunkle Purpur tiefer rot als der rosig-karminroten Rotton der eurasischen Unterart bifasciata.
Um die wachsende Nachfrage nach Top- Aufnahmen der selteneren Arten der Paläarktis zu bewältigen, ist Bird-lens.com bestrebt, das Spektrum der Bilder von Vögeln der Westpaläarktis weiter auszubauen. Trips zu abgelegenen Orten, um Bilder von seltenen Vögeln der Westpaläarktis zu machen, waren sehr erfolgreich. Ebenso bringen Ausflüge in die nähere Umgebung immer wieder schöne Eindrücke und manch seltene Beobachtung, die – wenn es gut läuft – auch mit Fotos gekrönt werden kann. Dieses schöne Bild der Bindenkreuzschnabels entstand am Strand der Ortschaft Gambell auf St. Lawrence/ Alaska während eines Trips um den Nordzug der hocharktischen Brutvögel beobachten zu können. Der männliche Bindenkreuzschnabel im schönsten Prachtkleid wurde dabei recht weit entfernt von seiner eigentlichen Heimat in der Taiga beobachtet. Das Bild ist nur ein erster Eindruck, was Sie in der Galerie im “Picture-Shop” sehr bald finden können. Hinterlassen Sie doch einfach eine Nachricht, wenn bird-lens.com mit einem Bild dienen kann.