Rotmilane bremsen Windkraft-Ausbau

Red KiteNaturschutz-Initiativen und der streng geschützte Rote Milan, Milvus milvus, erweisen sich als größte Hindernisse für den Windkraft-Ausbau in Deutschland. Der Rote Milan war ja schon häufiger Gegenstand der Blogs auf www.bird-lens.com. So z.B. hier oder hier. Der Rotmilan ist ein Charaktervogel der mitteleuropäischen Landschaften. Etwa 65% des Weltbestandes des Rotmilans kommt in Deutschland vor. Die ehrgeizigen Ziele zur Energiewende sowohl der aktuellen Bundesregierung als auch vor allem der grün-roten Landesregierungen geraten mit der Rücksicht auf den Roten Milan in Gefahr.
Vor allem die Forderung nun verstärkt Waldstandorte als Standorte für 200 Meter hohe Windkraftanlagen zu nutzen, stößt auf Kritik. Ein Beispiel ist aus Baden-Württemberg. So sollten etwa fünf Hektar Wald mitten im “Großen Hau” bei Horb im Schwarzwald abgeholzt werden um Rotoren aufzustellen. Der Wald ist aber nicht nur ein beliebtes Naherholungsgebiet, er ist auch Heimat viele geschützter Tiere. Seit Jahrzehnten wurde der Wald zum naturnahen Plenterwald umgestaltet, er ist deshalb besonders artenreich. Hier kommt der Rote Milan in einem guten Bestand vor. Aber auch andernorts sind es immer wieder Rotmilane, die den weiteren Windkraft-Ausbau bremsen.

In dem konkreten Fall jedenfalls dauerte es nicht lange, bis sich eine Bürgerinitiative gegen die Pläne der Stadt Horb bildete. Es gab Info-Abende, Unterschriftenlisten und ein Waldfest, zu dem viele Bürger kamen. Auch der Naturschutzbund Nabu lehnte den Standort ab. Doch die Stadt war wild entschlossen. “Wir wussten, dass uns nur noch der Rotmilan helfen kann”, sagte ein Vertreter einer lokalen Naturschutzinitiative. Tatsächlich war auf den streng geschützten Greifvogel Verlass. Heute ist das Windpark-Projekt gestoppt. Das Regierungspräsidium Karlsruhe gab dem Artenschutz den Vorrang.
Der Fall Horb verdeutlicht die Klemme, in der die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg steckt. Auch im zweiten Jahr nach dem Regierungswechsel ist von einem Windkraft-Boom nichts zu sehen. Gerade einmal neun Anlagen wurden im Südwesten 2012 gebaut. Vom Ziel, bis 2020 den Windstrom-Anteil im Land von einem auf zehn Prozent zu steigern, ist Grün-Rot uneinholbar weit entfernt. Und ausgerechnet Naturschützer und geschützte Arten wie Greifvögel (Wespenbussard und Rotmilan) und Fledermäuse machen der grün-roten Landesregierung am meisten Sorgen und verhindern einen kurzfristigen Durchbruch.

Der Rotmilan ist ein echtes K.O.-Kriterium für die Standortplanung von Windrädern. Wenn an einem Standort Rotmilane nachgewiesen werden, läßt der Windkraft-Betreiber häufig von selbst von der Planung ab. Der Rotmilan ist zwar streng geschützt, in Baden-Württemberg aber recht weit verbreitet. Und er fällt besonders häufig Windrädern zum Opfer. Der Rotmilan jagt auf offenen Flächen, und das genau in den Höhen, in denen sich die Rotoren bewegen. Immer wieder werden Milane als “Schlagopfer” gefunden. Im Umkreis von mindestens 1000 Metern zu Milan-Horsten gelten Windräder deshalb als tabu.
Die Suche nach geeigneten Standorten wird auch dadurch erschwert, daß sich an topographisch geeigneten Standorten im Land Baden-Württemberg oft schon andere Nutzer breitgemacht haben. Gerade in windhöffigen Höhenlagen gibt es häufige Konflikte mit Funkanlagen wie zum Beispiel dem Wetterradar des Deutschen Wetterdienstes, dem Hörfunk oder den Richtfunksendern der Bundesnetzagentur. Auch deshalb haben die verantwortlichen Politiker, große Hoffnungen auf Windkraft im Wald gesetzt. Denn riesige Waldflächen im Land sind Staatsforst und damit in Landesbesitz. An elf Standorten habe die Forstverwaltung bereits Planungen für mehr als 70 Windräder in Gang gesetzt, heißt es im Umwelt-Ministerium von Baden-Württemberg, an weiteren zwölf Standorten würden Angebote eingeholt. Jetzt darf nur noch der Rotmilan nicht in den Wäldern vorkommen.

Daß Vögel größere Bauvorhaben behindern oder sogar verhindern ist so neu nicht. Schon aus den 80iger Jahren datiert ein Streit um den Wachtelkönig (Crex crex), der gut 20 Jahre lang den Bau der Autobahn 26 von Cuxhaven nach Hamburg verhinderte. Während die Pendler stundenlang auf der B 73 im Stau standen suchten die Schützer nach dem Wachtelkönig, von dem behauptet wurde, dass ihn niemand je gesehen hätte.
Auch andere Infrastrukturprojekte der Energiewende sind unter Beschuss. Die Pläne der Energieallianz Bayern, einem Zusammenschluss kommunaler Energieversorger wie den Stadtwerken Bad Tölz, sehen momentan vor, unterhalb des Jochberg-Gipfels einen Speichersee anzulegen, in den zu Niedriglastzeiten mit dem überschüssigen Strom Wasser hochgepumpt wird. Durch Turbinen im Berginneren soll es dann aus dem See auf 1400 Metern in den 600 Meter tiefer gelegenen Walchensee abgelassen werden, wenn abends oder in der Früh vermehrt Strom benötigt wird. Damit sollen Schwankungen ausgeglichen werden, die durch Solar- und Windkraftanlagen im Stromnetz entstehen. Die Alpenschutzkommission Cipra Deutschland jedoch lehnte kürzlich das geplante Pumpspeicherwerk am Jochberg entschieden ab. In einer Pressekonferenz, auf der der Verein sein Positionspapier zur Energiewende in den Alpen vorstellte, wurde das Projekt ein “Angriff auf unseren bayerischen Alpenraum” genannt. Nicht nur der hohe Flächenverbrauch spricht aus Sicht der Cipra gegen den Bau neuer Pumpspeicherwerke: Neben dem immensen Eingriff in die alpine Natur und die Kulturlandschaft würde sich der Wasserhaushalt grundlegend verändern und der Lebensraum von Tieren und Pflanzen zerstört. Ein Beispiel ist der Zitronengirlitz (Serinus citrinella), der am Jochberg lebt.
Fast ein Jahr lang hatte die Cipra um eine Position in der Energiewende gerungen. Warum es so lange gedauert hat, eine Haltung zu finden, wird beim Blick auf die Struktur des Vereins deutlich: In der Cipra, dem deutschen Zweig der Commission internationale pour la protection des Alpes, sind acht Organisationen vereint, unter anderem der Deutsche Alpenverein (DAV), der Landesbund für Vogelschutz und der BN. Das sind Verbände mit durchaus differierenden Positionen. Das Pumpspeicherwerk am Jochberg jedoch stößt vereinsübergreifend auf Ablehnung. Das Pumpspeicherwerk am Jochberg könne kein Konzept für die Energiewende sein. Wenn Sie 200 bis 250 Stück zur Nivellierung von Energieangebot und Energienachfrage brauchen, bliebe nichts von den Alpen übrig.

Der Rotmilan ist ein Charaktervogel, reich gegliederte Landschaften mit Feldgehölzen und Wäldern in Mitteleuropa. Etwa 65% des Weltbestandes des Rotmilans kommt in Deutschland vor. Mit diesem hohen Prozentsatz des Weltbestandes trägt Deutschland eine besondere Verantwortung für den Schutz der Art. Seit Ende der 1970er Jahre ist der Bestand rückläufig. Im Tiefland ist sogar ein flächiger Rückzug festzustellen. In den letzten Jahren wurde zwar wieder eine positive Bestandsentwicklung festgestellt, aufgrund derer der der Rotmilan aus der Roten Liste entlassen wurde. Zukünftig werden die Intensivierung der Landwirtschaft und die oben beschriebene zunehmende Windenergienutzung die Bestandsentwicklung voraussichtlich aber wieder belasten.
Zur Nahrungssuche bevorzugt der Rotmilan Agrarflächen mit einem Mosaik aus Wiesen und Äckern. Der Brutplatz dagegen ist in kleinen Feldgehölzen, in lichten Altholzbeständen und an den Waldrändern umfangreicherer Forste zu finden. Rotmilane sind ziemlich reviertreu und nutzen alte Horste oftmals über viele Jahre. Im lebhaft, schaukelnden Flug fällt der oft etwas hängende, tief gegabelte Schwanz des Rotmilans auf. Er wirkt deutlich größer und schwerer als ein Mäusebussard obwohl er mit einer Körperlänge von 60-70 cm nur unwesentlich größer ist. Wegen der durchhängenden Schwingen wirkt er wuchtiger und wird wegen des gegabelten Schwanzes auch „Gabelweihe“ genannt.

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