Limikolen auf St. Lawrence

Rotkehl-StrandläuferVor einem die Steilküste Kamtschatka, der Halbinsel im ostasiatischen Teil Russlands hinter einem baumfreie, Tundra-bedeckte Hügel. Für den Zugvogelzug ist die Nordwestspitze der Insel St. Lawrence eine der besten Stellen weltweit. Neben Seevögeln sind es vor allem die Limikolen, die einem westpaläarktischen Beobachter, die Abwechslung nahe verwandter heimischer Arten oder bisher unbekannter Unterarten möglich machen. Gerade der Vergleich der Schwesterarten Sandregenpfeifer (Charadrius hiaticula) und Weißstirnregenpfeifer (Charadrius semipalmatus) sowie Beringstrandläufer (Calidris ptilocnemis) und Alpenstrandläufer (Calidris alpina) sind hier sehr gut möglich.

Dann kommen die tollen Möglichkeiten für Vagrants wie Rotkehl-Strandläufer (Calidris ruficollis), Terekwasserläufer (Xenus cinereus), Grünschenkel (Tringa nebularia), Bruchwasserläufer (Tringa glareola) oder gar Spießbekassine (Gallinago stenura) dazu. Die meisten Limikolen rasten teils nur kurz um den Ort Gambell auf den ausgedehnten Schotterterrassen zwischen den sumpfigen Weiten. Aber auch beim Seawatching ist immer mal wieder was dabei: eines Tages flog direkt am kiesigen Strand bei „The Point“ ein weiblicher Mongolenregenpfeifer (Charadrius mongolus) vorbei. Die Möglichkeiten Bergstrandläufer (Calidris mauri) im Prachtkleid oder Odinshühnchen (Phalaropus lobatus) direkt von der Schotterstraße in einem Pond bei Balz- und Revierverteidigungsaktivitäten zu sehen, sind hervorragend.

Zuerst ist ATV-Training angesagt. Diese kleinen „Freizeitgeräte“ mit ihren grobstolligen Ballonreifen sind die Gefährte für die Einheimischen und die beste und sicherste Art sich als Birdwatcher auf dieser Insel am Rande der Beringsee zu bewegen. Es ist nicht schwer. Eher so wie Moped fahren. Nur mit den dicken Überstiefeln ist das Schalten keine Freude. Schnell fährt man raus in Richtung der Bergkette der Sevuokuk Mountains. An der sogenannten Grassy Marsh am nordöstlichen Zipfel des Troutman Lake hatte sich direkt bei unserer Ankunft in Gambell ein Terek Sandpiper verirrt, der dann auch mit einigem Spektivaufwand von uns und der anderen Tourgruppe sehr gut gesehen wird.

Während die andere Gruppe eher basismäßig – u.a. mit Fahrrädern – unterwegs ist, sind wir richtig luxuriös mit unseren ATVs unterwegs. Wenn man mal auf dem teils scharfkantigen, grobkörnigen Kieseln gelaufen ist, weiß man die ATVs richtig zu schätzen. Das wäre echt Schwerstarbeit. Und das mit Spektiv und Stativ. Wir fahren jedenfalls oberhalb des Troutman Lake am Berg entlang und biegen dann Richtung Marshes bzw. einem alten Sewage Pond ab. In der gleichen Marsch laufen aber auch einige Semipalmated Plover herum. Auch der Landschaftseindruck ist atemberaubend. Echt starke Tundra-Landschaft. Richtig majestätisch erhebt sich der Sevuokuk Moutain. Davor dann das Meer und auf dem Kiesbett davor die kleine Eskimosiedlung.  Ansonsten nur: Weite. Hier ist man wirklich am Ende der Welt. 2 Dunlins mit ihrer gut sichtbaren schwarzen Bauchbinde fliegen über das trockene Gras. Das mit den Subspezies scheint nicht so ganz trivial zu sein. Immerhin ziehen potentiell 3 Unterarten auf der Seward Peninsula durch. Allerdings sind nach neueren taxonomischen Einschätzungen die ssp. hudsonia mit ssp. pacifica, und pacifica mit ssp. sakhalina oder ssp. arcticola synchronisiert. Wie auch immer. C. a. arcticola würde jedenfalls im Nordwesten Alaskas und dabei im Norden der Seward Peninsula und im Norden Kanadas vorkommen und C. a. pacifica im sogenannten SW Alaska (dabei im Süden der Seward Peninsula) brüten. Ich bestimme erst mal alle als der ssp. pacifica zugehörig. Ein Paar der Dunlin fliegt kurz über das Gras und dann setzt – wohl das Männchen – zum minutenlangen Balzflug vor dem grauen, eintönigen Himmel an. Wenig später erklingt der der hohe Balztriller der Beringstrandläufer  (Calidris ptilocnemis). Der in Englischen „Rock Sandpiper“ genannte Watvogel auf der Insel gehört der sibirischen Unterart tschuktschorum an und ist deutlich kleiner als die Unterart auf St. Paul. Er scheint auch heller in der Gefiederfärbung zu sein.

Im Grunde läuft Birding um Gambell auf St. Lawrence wie auf den St. Paul Island/ Pribilofs ab. Unabhängig, ob man auf die Insel als Teil einer Birding-Gruppe, mit einem eigenen Guide oder als Einzelperson ohne Führung kommt. Man kann nichts verpassen. Der einzige Zufluchtsort ist das „Hotel“. Hier erfährt man auf jeden Fall, was von den lokalen Guides, den heimischen Experten gesehen wurde und welche Gruppe was wann beobachtet hat. Wenn eine der Gruppen mit ihrem Guide eine besonders gute Vogelart findet, werden die anderen Führer benachrichtigt und in der Regel sofort in das Gebiet fahren, so dass alle Ornithologen auf der Insel eine Chance haben, die Seltenheit zu sehen. Damit kann man so ziemlich alle regulären Zugvögel der Insel plus die ein oder andere echte Rarität sehen. Birding auf St. Lawrence heißt, früh aufstehen, dann Frühstück und dann raus bis ca. 20:00 oder 21:00 Uhr. Pausen gibt es nur für das Mittagessen und Abendessen. Man sucht praktisch alle produktiven Punkte ab.

Das Klima hat so seine speziellen Härten aufzuweisen. Die Temperaturen liegen im Sommer bei durchschnittlich 10° C. Das feuchte Klima kann jederzeit morgens für an Tau erinnernde Wassertropfen auf der Vegetation sorgen. Dichter Nebel ist ebenso wie Regen und wolkenverhangener Himmel ebenfalls sehr häufig. Wir hatten dieses Jahr ausgesprochenes Glück. Nur an einem Tag war kein Sonnenaufgang zu beobachten. Die Sonne schien dann tagsüber fast die ganze Zeit. Das gute Wetter soll jedoch zu dieser Jahreszeit nach Aussagen der Einheimischen eher selten ist.

Eine Fotoausrüstung mit leidlich langen Brennweiten (ab 300mm) ist gerade bei der Suche nach den Raritäten, die erstaunlich scheu sind, ein Muss. Beim Wandern sind kniehohe Gummistiefel, Wanderstiefel mit Überziehern (sogenannte NEOS) und / oder Überhosen angeraten und an manchen Stellen auch unabdingbar.

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